Interview

Interview

Zu Besuch bei einem Kaffeeröster
4.7.2017

In Winnenden, besser gesagt in einem der unzähligen Vororte des Städtchens, befindet sich in einem beschaulichen Industriegebiet die Kaffee-Rösterei Von Herrmanns. Draußen herrscht der übliche Verkehr, LKWs rangieren, der Postdienst liefert eilig Pakete ab und einige Menschen wollen in die Rösterei. Kaum drinnen, betrete ich eine eigene Welt. Eine große Küche ist das Zentrum, hier bereitet Thomas Herrmann den Kaffee für die Gäste zu, an einem großen Tisch wird Kaffee verköstigt und hier findet auch unser Gespräch statt. Auf dem Hocker hat man einen perfekten Blick, ich sehe die zwei beeindruckenden Röstmaschinen mit den großen Rösttrommeln, die Säcke mit den unterschiedlichen Bohnen, die große Kaffee-Mühle – dazu riecht es einfach wunderbar nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Ideale Bedingungen, um die Leidenschaft für Kaffee nachvollziehen zu können – und für ein Gespräch über Kaffee. Wir duzen uns natürlich, so wie das unter Kaffee-Liebhabern eben üblich ist.

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C: Welche Bedeutung hat Kaffee für dich?

Th: Kaffee ist für mich nicht nur ein kurzer Kick am Morgen. Er ist für mich Lebensqualität, Lifestyle und Leidenschaft zugleich - ein Genussmittel mit Kultstatus. Er verbindet so viele Menschen, Berufe und vor allem Genießer, dass es einfach Spaß macht sich mit dem Produkt Kaffee zu beschäftigen.

C: Wann hast du das erste Mal Kaffee getrunken?

Th: Kaffee trinke ich eigentlich schon immer! So richtig angefangen habe ich mit 17.

C: Und wann hast du zum ersten Mal richtig guten Kaffee getrunken?

Th: Das war viel später, da war ich dann schon 30! Ich war in Italien, da war ein kleines Café, das einem Röster gehört hat, da gab es einfach grandiosen Kaffee. Ganz zufällig sind wir da gelandet – in dem Kaffee gab es nur zwei Stehtische und da bin ich fast umgefallen, so gut hat das geschmeckt. Leider weiß ich nicht mehr, was für ein Kaffee das war. Zum ersten Mal hatte ich beim Trinken auch keine Magenprobleme, das hat mich bis dahin immer begleitet.

C: Wann ging es bei dir los mit der Suche nach dem guten Kaffee?

Th: Kurz nach meinem Italienurlaub. Wenn ich bei meinen Eltern oder Großeltern zu Kaffee und Kuchen eingeladen wurde, ging es anschließend mit den Magenproblemen los. Damals war ich noch der Meinung, es läge an dem Mehl oder dem Zucker im Kuchen. Irgendwann bekam ich einen Artikel in die Hand, in dem stand, dass die Chlorogensäure die in allen Kaffees vorkommt dafür verantwortlich sein könnte. Da ich Kaffee schon immer sehr mochte und nicht darauf verzichten wollte, habe ich mich auf die Suche nach einem schonend gerösteten Kaffee gemacht. Ich fand eine kleine Rösterei – was damals gar nicht so einfach war - und habe dort den Kaffee getrunken und natürlich auch Kuchen gegessen. In der Tat – ich hatte anschließend keine Probleme mit meinem Magen. So bin ich immer tiefer in die Materie eingestiegen, habe sogar kurze Zeit später einen Kaffeekurs belegt. Das war der Anfang einer großen Liebe. In dem Kurs habe ich viel über die Herstellung, Zubereitung und die vielen positiven wie auch negativen Inhaltsstoffe die im Kaffee vorhanden sind gelernt. Zu Beginn des Kurses wurden wir getestet, ob wir aus den vielen handelsüblichen Kaffees auch die guten herausschmecken können. Das ging komplett in die Hose.

C: Wie kam das?

Th: Ja, ich war der Meinung, Kaffee müsse bitter schmecken und im Hals kratzen. (Schmunzelt) Das ist natürlich überhaupt nicht so. Der Professor, der den Kurs gegeben hat, hat nur die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Klar, hierzulande sind wir diese Kaffees gewohnt, deswegen erwarten wir auch nichts anderes.

C: Wie muss denn guter Kaffee schmecken?

Th: Also, erstmal was er nicht darf – die Zunge belegen, darf nicht den Gaumen belegen und darf nicht scharf im Abgang sein. Scharf bedeutet kratzig oder bitter, so darf Kaffee einfach nicht schmecken. Häufig schmecken Kaffees aber auch nach Teer oder Gummi, wenn das der Fall sein sollte kann von einem hohen Anteil an Robusta-Sorten im Kaffee ausgegangen werden. Er sollte im kalten Zustand genauso schmecken wie im warmen.

C: Was schmeckt dann?

Th: Ausgesuchte Kaffees von kleinen Plantagen. Reine Arabica-Bohnen oder Mischungen, deren Robusta-Anteil gering ist und mit Bedacht ausgesuchten Bohnen-Sorten gemischt wurde. Wer in seiner Umgebung eine Rösterei kennt, sollte seinen Kaffee am besten dort kaufen. Deren Mitarbeiter können einem in der Regel genau sagen wo und von wem die Kaffeebohnen produziert wurden. Letztlich sind die Kaffees aus Waldgärten, die naturbelassen wachsen und nicht in Plantagen, die besseren Kaffees. Da braucht es keinen Dünger, um guten Kaffee ernten zu können. Auf großen Plantagen werden sehr häufig große Mengen an Pestiziden eingesetzt, um den vielen Schädlingen Herr zu werden.

C: Das heißt, du trinkst auch gerne Kaffee mit gutem Gewissen?

Th: (lacht) Ja, klar, das gehört doch zum Genuss dazu!

Kaffee trinken ist also gar nicht so einfach. Man muss auf gute Qualität achten und sich die Mühe machen, sich eine Rösterei seines Vertrauens zu suchen. Zum Glück muss die dank des Internets heutzutage nicht mehr in der unmittelbaren Nähe sein.

Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Kaffee mit reinem Gewissen und sortenreiner Qualität natürlich besser schmeckt – frage mich aber auch, wie das denn nun geht, so ganz konkret.

C: Wie trinkst du deinen Kaffee am liebsten?

Th: (ohne zu überlegen) mit weichem Wasser und guten Kaffeebohnen - Schwarz und ohne Zucker. Fruchtige afrikanische sind meine Favoriten. Je nach Zubereitung auch viele andere Kaffeesorten. Es gibt Sorten, die eignen sich nur für ganz spezielle Zubereitungsarten – für manche überhaupt nicht. Einen Sidamo aus Äthiopien (link) zum Beispiel, schmeckt mit persönlich in einem Papierfilter oder Karlsbader Kanne mit Porzellanfilter am besten. So zubereitet schmeckt der Kaffee sehr fein, hat aber dennoch viel Körper. Selbstverständlich habe ich ihn auch in anderen Zubereitungsarten wie Vollautomaten, Siebträger oder French Press ausprobiert, das Geschmacksprofil war jedes Mal ein komplett anderes, lange nicht so fein wie in einem Papierfilter. Die Zubereitung von Kaffees ist hierzulande noch immer ein sehr unterschätztes Thema.

C: Hast du denn eine Lieblings-Zubereitungsart?

Th: Ich bereite meinen Kaffee immer noch sehr gerne mit Filter zu, klar. Für mich ist Kaffee ähnlich wie Wein trinken. Ich lehne mich zurück, bereite einen Kaffee zu, ganz meditativ, der meiner Stimmung entspricht und trinke den dann ganz bewusst.

Jetzt bin ich neugierig: Bereitet Thomas Herrmann seinen Kaffee ähnlich zu wie ich? Um das herauszufinden, frage ich ihn natürlich. Zum Glück für mich bietet er mir an, mir einen Kaffee zuzubereiten. Insgeheim habe ich natürlich darauf spekuliert, hier einen besonderen Kaffee trinken zu können. Glück gehabt! Thomas will den Kaffee in einer Karlsbader Kanne (link?) zubereiten, das ist eine wunderschöne Kanne aus weißem Porzellan, die einen dazu passenden Filter aufsitzen hat, der auch aus Porzellan ist.

C: Was ist das für ein Kaffee aus der Karlsbader Kanne?

Th: Das ist ein Kaffee, der Zeit für die Zubereitung braucht. Daher ist er ideal für das Wochenende, da habe ich Zeit für eine Kaffee-Zeremonie – ja, so kann man das nennen. Das tolle an der Karlsbader Kanne ist der Porzellanfilter, das ist ein beständiger Filter indem grob gemahlenes Kaffeemehl eingebracht wird. Grob gemahlen bedeutet: deutlich kleinere Fläche als bei einer Mahlung für den Siebträger. Beim Aufbrühen kommt es ja auf die Kontaktzeit von Kaffee und Wasser an. Würde ich das Kaffeemehl zu fein mahlen, verschlammt der Porzellanfilter, das Wasser kann nicht in der gewünschten Schnelligkeit abfließen, das Ergebnis ist dann ein unerwünscht starker Kaffee – außerdem fallen die feinen Partikel durch den Filter ins Kaffeewasser. Wenn alles richtig zubereitet wurde, ist diese Form der Kaffeezubereitung eine der mildesten und bekömmlichsten.

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C: Die Karlsbader Kanne macht auch optisch einiges her…

Th: Ja, das stimmt. Eigentlich heißt sie ja Karlsbader Kaffeemaschine, das ist der Fachterminus. Sie hat nur ein Problem... ihr fehlt es an Popularität. Obwohl sie einen sehr schmackhaften Kaffee zubereitet, kennt die Karlsbader Kaffeemaschine kaum jemand – mag vielleicht am altertümliche Design liegen.

Diese Form der Zubereitung gibt es ja schon seit 1795.

C: Gibt es keine Alternativen?

Doch schon! Der Hersteller hat auch ein moderneres Modell im Programm - die Bayreuther Kaffeemaschine. Das Prinzip ist gleich – sieht nur moderner aus.

Jetzt beginnt Thomas konzentriert zu arbeiten, man merkt ihm die Routine an und kann dabei zusehen, wie er mit Genuss und Genauigkeit das Kaffeekochen zelebriert. Thomas holt eine digitale Küchenwaage aus seiner Schublade – hier wird genau gearbeitet. Den oberen Teil der Mühle nimmt er ab um dann genau 40g abwiegen zu können. Dann wird genau die richtige Menge Kaffee, ein Sidamo oder – wie wir ihn nennen – der gelehrige Dackel gemahlen und in den Filter eingebracht. In der Zwischenzeit hat er natürlich schon Wasser in seiner speziellen Kanne erhitzt und bringt es auf die richtige Temperatur, das Wasser darf für die Karlsbader Kanne nicht kochend heiß sein. Dann setzt er ein weiteres Teil aus Porzellan auf den Filter, den sogenannten Seiher. Bei der Karlsbader Kaffeekanne handelt es sich nämlich um eine Seih-Kaffeemaschine.

Tatsächlich, Thomas bereitet seinen Kaffee mit wesentlich mehr Akribie und Sorgfalt als ich selbst zu. Ich muss sagen, schon das Zuschauen hat eine entspannende Wirkung auf mich.

C: Wie wichtig ist Genauigkeit für dich?

Th: Nimm zum Beispiel die Körnergröße beim Mahlen. Die sollte idealerweise einheitlich sein. Wenn du dir eine Mühle kaufst, achte darauf, dass die Mühle die Bohne mahlt und nicht zerhackt, wie in einem Sichelmahlwerk der Fall. Im Kegelmahlwerk hingegen werden die Bohnen gequetscht oder geschält, und zwar von grob nach fein, das Ergebnis ist eine einheitliche Korngröße. Die Korngröße hängt, wie schon erwähnt von der Zubereitungsart ab, die man an jeder Mühle justieren kann. Ob jetzt Keramik oder Metall, das bleibt den einzelnen überlassen – Plastik ist jedenfalls nicht zu empfehlen.

Oder das Verhältnis von Wasser und Kaffeemehl. Mir ist auch hier ein exaktes Maß wichtig – auch dass ich dann weiß, ob mir das Verhältnis der beiden Zutaten so schmeckt oder ob ich von einem der beiden Zutaten mehr oder weniger haben will. Da bin ich schon sehr genau.

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C: Kaffee zubereiten erfordert Konzentration, oder?

Th: Ja, jede Menge. Daher kommt auch der meditative Charakter. Ich konzentriere mich auf das Jetzt und was zu tun ist, da treten alle anderen Gedanken oder Sorgen völlig in den Hintergrund. Das ist toll. Wenn man zum Beispiel für die Karlsbader Kanne die Bohnen mahlt, muss die Körnergröße stimmen, sonst hat man ja nachher das Kaffeemehl in der Tasse. Das ist nicht so angenehm, deswegen will ich das lieber vermeiden.

C: Wozu brauchst du eigentlich diesen Seiher, ist das nicht zu viel des Guten?

Th: Nein, das ist schon wichtig. Nur so läuft das Wasser gleichmäßig durch und es kommt nicht auf einmal zu viel Wasser oder zu wenig Wasser in den Filter und das Kaffeemehl. In Wien wird das Wasser sogar von Alters her mit einer Kelle in den Seiher eingebracht. Das ist einfach Tradition. Da wurde auf einen bestimmten Rhythmus geachtet, der unbedingt eingehalten werden muss. Den kenne ich natürlich auch – wende ihn aber nicht immer an.

C: Jetzt muss ich doch noch mal Nachfragen... „Wie wichtig ist eigentlich das Röstverfahren für den Kaffee?“

Th: Genauso wichtig wie der Anbau oder die Zubereitung. Einige Röster behaupten ja, Rösten wäre das wichtigste an einem guten Kaffee. Das sehe ich etwas anders. Eine schlechte Bohnen-Qualität kann ich auch durchs Rösten nicht aufpimpen. Eine qualitativ hochwertige Kaffee-Rohbohne die von einem Röster optimal veredelt wurde, kann durch eine schlechte Zubereitung ungenießbar werden. Damit will ich das Rösten nicht schmälern. Immerhin ist es ein hoch komplexer Vorgang, der viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl und eine feine Nase voraussetzt – es ist nur nicht alles.

C: Ich kann mir nicht so richtig vorstellen, wie man röstet. Nimmst du immer das gleiche Röstprofil für alle Bohnen?

Th: Es gibt Röster, die sagen, sie haben das ideale Röstprofil gefunden und nehmen es dann für alle Bohnen. Das mache ich nicht. Jede Rohbohne hat einen individuellen Röstpunkt, somit benötigt jede von ihnen ein individuelles Profil. Außerdem verhalten sich die Rohbohnen bei den Temperaturen in der Trommel unterschiedlich. Das spannende für mich ist, herauszufinden, welche Bohne sich bei welcher Temperatur wie verhält und wie sie am Ende geschmacklich ist. Die Herausforderung ist aufgrund vieler Einflüsse sehr hoch – es kann sehr viel schiefgehen – aber wenn es gut geht, ist das Ergebnis jeden Rückschlag wert.

C: Testes Du auch Bohnen von anderen Kaffeeröstern aus?

Th: Ja, klar! Ich probiere gern Kaffeebohnen meiner Mitbewerber aus. Es ist wirklich faszinierend: die gleiche Bohnen-Sorte schmeckt bei jedem Röster anders – Man kann viel lernen.

C: Schmeckst du den Unterschied?

Th: Ja! Ich bin immer wieder überrascht wie groß die Unterschiede sind. Jeder Kaffeeröster hat seine eigene Herangehensweise an das Rösten. Ob Ein – oder Ausstiegstemperatur, die Abluft oder Trommelgeschwindigkeit, jeder Vorgang beeinträchtigt die Bohne nachhaltig und lässt sie anders entwickeln. Das Ergebnis in der Tasse ist immer wieder eine Offenbarung. Es ist daher auch schwer zu beurteilen, ob das Ergebnis anschließend schlechter oder besser ist. Geschmack ist eben subjektiv.

Das Gespräch hat sich fortbewegt von der Karlsbader Kaffeekanne – wir aber nicht. Wir haben jeder eine Tasse vor uns und genießen den wunderbar milden Kaffee. Wir sind uns einig: der Aufwand und die Akribie haben sich gelohnt.

Ein Besuch ist ein besonderes Erlebnis. Ich habe die Zeit vergessen und zugleich den Kopf voll mit der für mich ganz neuen Welt des Kaffees – wahrscheinlich habe ich mich auch mit dem Kaffee-Virus angesteckt…

Wollt Ihr mehr über VON HERRMANNS erfahren, bucht einfach einen Kurs oder fahrt hin – Ihr werdet es genauso lieben wie ich.

Eure
Christiane Savelsberg